Nachhaltigkeit braucht ein breites Spektrum an Technologien

Karin Exner-Wöhrer, CEO und Vorstandsmitglied der SAG Group, im Gespräch mit Jos Smetsers, Vorstandsmitglied DAF Trucks N.V. und Managing Director PACCAR Purchasing Europe.

DAF Trucks N.V. ist der führende Hersteller von Nutzfahrzeugen in Europa und eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von PACCAR Inc – einem weltweit führenden Unternehmen in der Entwicklung und Herstellung von leichten, mittleren und schweren Premium-Nutzfahrzeugen. Ihr Unternehmen engagiert sich stark für die Entwicklung sauberer, zukunftsfähiger Technologien. Die EU hat sich mit dem „Green Deal“ 2019 das ehrgeizige Ziel gesetzt, Europa bis 2050 in Etappen zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Welche Auswirkungen erwarten Sie für die europäische Nutzfahrzeugindustrie?

Jos Smetsers: Der Green-Deal-Aktionsplan stellt die europäische Nutzfahrzeugindustrie vor die herausfordernde Aufgabe, ihre CO2-Emissionen drastisch zu senken: Bis 2025 soll im Vergleich zu 2019 eine Reduktion von 15 Prozent erreicht werden, bis 2030 sogar von 30 Prozent. Dies erfordert eine neue Wachstumsstrategie, um den Übergang zu einer ressourcenoptimierten und gleichzeitig wettbewerbsfähigen Ausrichtung der gesamten Automobilindustrie zu schaffen. Die ganze Branche ist dabei, sich neu zu erfinden, und alle unsere Produktreihen sind voll auf CO2-Reduktion ausgerichtet.

Das sind sehr ehrgeizige Ziele. Auf welche nachhaltigen Technologien setzt DAF, um sich in diesem Bereich erfolgreich zu positionieren? 

Wir müssen uns eingestehen, dass es keine perfekte nachhaltige Universallösung – nach dem Motto „eine Lösung passt für alles“ – für alle Transportanforderungen gibt. Das liegt daran, dass die Anforderungen je nach Einsatzgebiet sehr unterschiedlich sind. DAF engagiert sich daher für die parallele Entwicklung mehrerer nachhaltiger Technologien.

Wir sehen vollelektrische Fahrzeuge als eine wichtige Option für städtische Gebiete: Die Laufleistung und das Nutzlastgewicht der Ladung der LKW sind relativ gering und die Batterien der Fahrzeuge können regelmäßig – z. B. jede Nacht – am Hauptstandort aufgeladen werden. In den nächsten Jahren werden Fahrzeuge mit Elektroantrieb im städtischen Bereich noch weiter an Bedeutung gewinnen. Das zeigt die Ankündigung einer zunehmenden Anzahl europäischer Großstädte, ab 2025 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in ihren Innenstädten zuzulassen. DAF gehörte zu den ersten europäischen LKW-Herstellern, die einen vollelektrischen LKW auf den Markt gebracht haben. Vor kurzem wurde unsere Produktpalette sogar um den neuen DAF LF Electric erweitert – einem vollelektrischen 19-Tonnen-Verteiler-LKW für den städtischen Einsatz. Das hochmoderne Fahrzeug bietet eine Reichweite von bis zu 280 Kilometern. In der Tat sind wir führend bei elektrischen LKW-Antrieben.

Wäre der Elektroantrieb auch für den Einsatz auf Langstrecken geeignet?

Elektrische Antriebsstränge können eine großartige Lösung für innerstädtische Transportanwendungen sein. Jedoch haben Batterien von Elektrofahrzeugen derzeit noch den Nachteil, dass sie schwer sind und eine geringe Energiedichte haben. Während ein LKW für eine Fahrt von 100 Kilometern durchschnittlich 25 kg Diesel verbraucht, benötigt ein vollelektrischer LKW ein Batteriepaket von etwa 2 Tonnen, um diese Strecke zurückzulegen. Das reduziert die Nutzlast und die Reichweite. Hinzu kommt, dass das Aufladen der Batterien mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Betanken eines Dieseltanks und ein ausreichendes Stromnetz fehlt.

Für LKW, die innerhalb und außerhalb von Städten eingesetzt werden, aber auch in städtischen Gebieten „Null-Emissionen“ benötigen, sehen wir daher die Hybridtechnologie als den Weg der Zukunft. Sie verbindet die Vorteile des Elektroantriebs mit denen eines effizienten Dieselmotors: keine Emissionen im innerstädtischen Bereich und eine hohe Reichweite bei Langstreckenfahrten. Ein weiterer Vorteil ist die Unabhängigkeit von der öffentlichen Infrastruktur zum Aufladen der Batterien. Deshalb sind wir auch in der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich aktiv.

Welche Zukunft sehen Sie für den Dieselmotor im Hinblick auf den „Green Deal“?

Unsere gesamte Branche hat sich über die Jahrzehnte hinweg erfolgreich bemüht, den Dieselmotor noch effizienter und sauberer zu machen. Mit einer kompletten Palette an kraftstoffsparenden Dieselmotoren, welche die strengen Euro 6-Emissionsvorschriften erfüllen, ist DAF führend in Sachen Umweltschutz. In den letzten Jahrzehnten konnte der Ausstoß von Stickoxiden und Partikeln um über 95 % reduziert werden. Darüber hinaus haben wir bei DAF in den letzten 20 Jahren eine Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen um nicht weniger als 20 % erreicht.

Aus unserer Sicht wird der Dieselmotor auf absehbare Zeit weiterhin eine wichtige Rolle im schweren Fernverkehr spielen, auch als Teil der Hybridtechnologie. Dennoch gibt es eine Absichtserklärung der europäischen LKW-Industrie, ab 2040 auf fossile Kraftstoffe zu verzichten. Statt mit Diesel sollen Verbrennungsmotoren mit neuen Generationen von Kraftstoffen betrieben werden – etwa den so genannten „Power-to-Liquids“. Durch die chemische Verbindung von Wasserstoff mit CO2 entsteht synthetischer Kraftstoff, mit dem Verbrennungsmotoren perfekt betrieben werden können. Übrigens sind unsere heutigen Motoren bereits voll vorbereitet für Hydro-treated Vegetable Oil (HVO), die neueste Generation von Biodiesel. Dieser wird z.B. aus Abfallfetten hergestellt und ermöglicht eine bis zu 90%ige CO2-Reduktion ‚well-to-wheel‘.

Ist Wasserstoff als alternativer Kraftstoff Teil Ihrer Zukunftsstrategie?

Auf jeden Fall. Per Elektrolyse mit Sonnen- oder Windenergie hergestellt, bietet Wasserstoff eine vielversprechende CO2-neutrale Alternative für LKW-Treibstoff. Bei der Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie mittels einer Brennstoffzelle entstehen als „Nebenprodukte“ lediglich Wasser und Wärme. Unsere Schwesterfirma erprobt die wasserstoffbetriebene Brennstoffzellentechnologie bereits in der täglichen Praxis, und wir bei DAF erforschen aktiv Wasserstoff als Kraftstoff für den Verbrennungsmotor. Letztere Option bietet im Gegensatz zur Brennstoffzellentechnologie einige interessante Vorteile – unter anderem eine geringere Empfindlichkeit gegenüber der Wasserstoffqualität, um nur einen davon zu nennen. Allerdings wird die Entwicklungsarbeit noch einige Jahre in Anspruch nehmen, bis diese Technologie ausgereift, gut getestet und damit serienreif ist. Einen Aspekt dürfen wir nie vergessen: Höchste Zuverlässigkeit und Langlebigkeit gehören weiterhin zu unseren wichtigsten Entwicklungstreibern. Unsere Kunden verlassen sich auf unsere Stapler, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

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